Was sind die Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Glasherstellung und was ist das Besondere an der Verarbeitung des Komposits?
Bastian Rapp: Zusammengefasst ermöglicht der Nanokomposit-Ansatz, Glas zu strukturieren wie es für ein Polymer üblich ist. Der Begriff Glassomer geht auf genau diese Tatsache zurück: Man strukturiert Glas und behandelt das Material dabei, als sei es ein Polymer, das man verarbeitet. Diesen Ansatz kann man mit dem Bau einer Sandburg vergleichen. Man nimmt Glas in seiner kleinsten Form, d. h. winzige Sandkörner, und verbindet sie miteinander. Wir arbeiten dabei mit kleinen Mengen eines Polymers, um diese Bindung zwischen den Partikeln herzustellen. So entsteht eine frei fließende Flüssigkeit, die sich nach dem Aushärten und der Nachbearbeitung quasi in Glas verwandeln lässt.
Bis man die endgültige Form festgelegt hat, arbeitet man bei der Herstellung mit einem Polymer und damit mit für Polymere typischen Verarbeitungstechnologien. Sobald die Form festgelegt ist, wird der Polymer-Quarzglas-Nanokomposit einer Nachbehandlung unterzogen, um das Polymer zu entfernen, sodass lediglich die Glaspartikel übrigbleiben. Im letzten Schritt werden diese miteinander verbunden, um ein dichtes Stück Glas zu erhalten. Der Name des Druckmaterials für diesen Nanokomposit für die Zwei-Photonen-Polymerisation (2PP) ist GP-Silica, das wir gemeinsam mit Nanoscribe im Rahmen des Forschungsprojekts OptoGlass3D entwickelt haben.
Das klingt nach einem gelungenen Abschluss eines Forschungsprojekts, aus dem ein kommerziell erhältliches Druckmaterial hervorgeht. Können Sie noch etwas näher erläutern, woraus das Nanokomposit GP-Silica besteht und welche Vorteile es in Bezug auf die Verarbeitung bietet?
Bastian Rapp: Das Material besteht aus einem organischen und polymerisierbaren Bindemittel. Im Wesentlichen handelt es sich um ein Polymer, das bei Lichteinwirkung zu festem Kunststoff aushärtet. In diesem organischen Bindemittel sind Siliziumdioxid-Nanopartikeln dispergiert, die aufgrund ihrer geringen Größe suspendieren. Denn die Gravitationskräfte sind zu gering, um sie absinken zu lassen. Im Wesentlichen handelt es sich also um eine klare Flüssigkeit mit einer großen Menge winziger Sandpartikel darin.
Alexander Quick: Und damit das Druckmaterial optimal auf das hochpräzise Druckverfahren auf Basis von 2PP abgestimmt ist, besteht unser neuer Fotolack GP-Silica aus dieser speziellen Dispergierung aus Siliziumdioxid-Nanopartikeln innerhalb des organischen Bindemittels sowie aus einigen weiteren Bestandteilen. Der flüssige Fotolack enthält somit „initiierende“ Komponenten, um die Aushärtungsreaktion effektiv auszulösen. Die Aushärtung selbst erfolgt – ähnlich wie bei anderen Nanoscribe IP Photoresins – durch radikale Polymerisation, einem bewährten 2PP-Verfahren. Der 3D-gedruckte Grünling ist ein Komposit, das aus dem Polymer und den Siliziumdioxid-Nanopartikeln besteht und in einer abschließenden thermischen Nachbehandlung zu geschmolzenem Quarzglas verarbeitet wird. Kurz gesagt nutzen wir die Verarbeitungsvorteile von Polymertechnologien zur Herstellung von Glasstrukturen.