News
07. Dezember 2021

3D-gedrucktes Heart-on-a-Chip-Modell zur Erforschung kardiologischer Erkrankungen

Herzinfarkte sind weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Neue Konzepte der Life-Science-Forschung in Verbindung mit den fortgeschrittenen Möglichkeiten der 3D-Mikrofabrikation treiben die regenerative Medizin voran und können helfen, kardiologische Krankheiten dauerhaft zu heilen. Wissenschaftler der Boston University liefern mit ihrer mikrofluidischen Heart-on-a-Chip-Plattform einen wichtigen Baustein, um die Forschung in diesem Bereich weiter voranzutreiben. Dank der Zwei-Photonen-Polymerisationstechnologie (2PP) von Nanoscribe gelang es dem Team, ein Heart-on-a-Chip-Modell herzustellen. Die Plattform soll nun grundlegende Untersuchungen von Herzgewebe sowie auch die Herstellung von Gewebe ermöglichen, das in das schlagende Herz implantiert werden kann.

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Gewebestücke herstellen und sie in Organe, wie zum Beispiel das menschliche Herz, verpflanzen. Ohne weitere Kontextinformationen erinnert dies stark an Mary Shelleys berühmten Roman „Frankenstein“. Doch objektiv betrachtet könnte die Forschung auf diese Weise unzähligen Patienten helfen, ihre Lebensqualität wiederzuerlangen, indem sie sich von schweren medizinischen Problemen und Krankheiten erholen.

Das Muskelgewebe des menschlichen Herzens besteht hauptsächlich aus Herzmuskelzellen, die bei einem Herzinfarkt irreversibel geschädigt werden. Ein ehrgeiziges Ziel der aktuellen biowissenschaftlichen Forschung ist es, aus patienteneigenen Stammzellen funktionsfähiges, makroskopisches Herzgewebe herzustellen. Nach einem Herzinfarkt könnten diese künstlichen Gewebezellen den erkrankten oder geschädigten Muskel ersetzen und den Menschen helfen, zu einem normalen Leben zurückzukehren.

Mit 3D-Druck zu Heart-on-a-Chip-Modellen

Wissenschaftler der Boston University haben kürzlich eine weiche und mechanisch aktive Zellkulturplattform entwickelt, um Herzmuskelgewebe in einer anpassbaren 3D-Mikroumgebung zu untersuchen. Mithilfe dieser multifunktionalen Plattform kann Herzgewebe in einer 3D-Mikroumgebung gezüchtet und die Selbstorganisation des Gewebes an den Zellanhaftungsstellen untersucht werden, die sich an den vertikalen Wänden des Chips befinden. Ein integrierter elektronischer Sensor misst die Kräfte, die durch die Kontraktionen der kultivierten Herzzellen entstehen. Darüber hinaus haben die Forscher einen mechanischen Aktuator in den Chip integriert, um das kultivierte Gewebe aktiv zu dehnen. Mit diesem Aktuator können die Wissenschaftler den Einfluss von konstanten und dynamischen mechanischen Belastungen auf das Herzgewebe messen.

Softlithografie trifft auf Zwei-Photonen-Polymerisation

Die Heart-on-a-Chip-Plattform besteht aus einer inneren, kreisförmigen Keimvertiefung, in die das Herzgewebe verpflanzt wurde. Die Zellbefestigungsstellen werden direkt auf die vertikalen Wände der Keimvertiefung gedruckt. Der mikrofluidische Aktuator ist das Schlüsselelement der Plattform und fungiert auch als Dehnungssensor. Sobald eine Flüssigkeit durch den Kanal fließt, dehnt sich die dünne Trennwand zwischen dem Kanal und der Keimvertiefung aus. Diese mechanische Belastung wirkt sich auch auf das kultivierte Gewebe aus, das an den Befestigungsstellen der Plattform wächst. Gleichzeitig kann die Ausdehnung der dünnen Trennwand mit einer elektronischen Anzeige aufgezeichnet werden.

Die Wissenschaftler stellten die Keimvertiefung und den umgebenden mikrofluidischen Kanal mithilfe der PDMS-Softlithografie her. In einem ersten Schritt ermöglichte ihnen die 2PP-Technologie von Nanoscribe dabei, den negativen Master zu realisieren. Der Ansatz des direkten Laserschreibens ist hierbei vorteilhaft, weil die Forscher auf diese Weise die dünne Membranwand, die den äußeren mikrofluidischen Kanal von der inneren Keimvertiefung trennt, mit einem hohem Aspekt-Verhältnis 3D-drucken konnten. Die Stärke der 2PP-Technologie im Zuge der Herstellung kommt außerdem zum Tragen, nachdem die Forscher die PDMS-Keimvertiefungen aus dem Negativmaster geformt haben. Denn sie druckten mit einem Nanoscribe-Drucker außerdem Mikrokäfige direkt auf die dünnen vertikalen Membranwände der Keimvertiefung. Diese Mikrostrukturen dienen als Verankerungspunkte für die Zellen und definieren die Geometrie des freistehenden Herzgewebes. In einem letzten Schritt wird die Heart-on-a-Chip-Plattform auf einem Glassubstrat mit integrierten Elektrodenkontakten für die elektronische Belastungsauslesung befestigt.

Fortschritte in der Forschung zum Cell Alignment durch synchrone Herzschläge

Im Rahmen des Projekts stellten die Forscher Plattformen mit unterschiedlich vielen Zellhaftungsstellen her und beobachteten dann, wie sich die Geometrie des freistehenden Herzgewebes in der Keimvertiefung je nach Position und Anzahl dieser Stellen veränderte. Nach vier bis fünf Tagen begann das Herzgewebe spontan zu schlagen. Dank des integrierten Dehnungssensors konnten sie außerdem die mechanischen Kräfte überwachen, welche die Zellen auf die Befestigungskäfige ausübten. In einem weiteren Versuch dehnten die Wissenschaftler das Herzgewebe mit dem mikrofluidischen Aktuator periodisch. Nach etwa drei Minuten synchronisierten sich die spontanen Kontraktionen der Herzzellen mit dem stimulierten Schlag. Mit diesen Ergebnissen kommen die Forscher ihrem Ziel einen Schritt näher, Gewebeteile auf ein schlagendes Herz zu transplantieren und sie mit dem Schlag des eigenen Herzens zu synchronisieren.

Neue Möglichkeiten für das Tissue Engineering und die regenerative Medizin

Dieses Ziel erfordert weitere Anschlussstudien. Festgehalten werden kann jedoch, dass den Forschern dank der Zwei-Photonen-Polymerisationstechnologie von Nanoscribe die Herstellung einer Plattform gelang, mit der detaillierte Studien und neue Erkenntnisse über das Herzgewebe möglich werden.

Mikroskopische Ansicht der Heart-on-a-Chip-Plattform
Mikroskopische Ansicht der Heart-on-a-Chip-Plattform mit insgesamt acht Zellbefestigungsstellen, die mit Herzgewebe beladen werden. Das Gewebe richtet sich an den gedruckten Mikrostrukturen aus und synchronisiert seine spontanen Kontraktionen mit den mechanischen Stimulationen. Bild: M. Çağatay Karakan, Boston University
Schema zur Herstellung der Heart-on-Fiber-Plattform
Schema zur Herstellung der Heart-on-Fiber-Plattform. (i - iii) Softlithografie der Keimvertiefung eines negativen Mastertemplates. Bild: M. Çağatay Karakan, Boston University
Schema zur Herstellung der Heart-on-Fiber-Plattform
(iv) Softlithografie der Keimvertiefung eines negativen Mastertemplates (v) Direktes Laserschreiben der Zellhaftungsstellen an die vertikale Wand der PDMS-Keimvertiefung (vi) Anbringung der PDMS-basierten Plattform auf eine elektrodengemusterte Glasplatte. Bild: M. Çağatay Karakan, Boston University
Mikroskopische Sicht von oben auf die Heart-on-a-Chip-Plattform
Mikroskopische Sicht von oben auf die Heart-on-a-Chip-Plattform. Zu sehen sind die acht Zellbefestigungsstellen, die jeweils mit Herzgewebe bestückt sind. Das Gewebe orientiert sich bei dessen Verpflanzung an den gedruckten Mikrostrukturen. Bild: M. Çağatay Karakan, Boston University
Messergebnisse
Mit dem mikrofluidischen Aktuator wird ein dynamischer Schlag erzeugt, um eine positive Belastung innerhalb der Herzzellen zu erzielen. Inkubierte, spontan schlagende Zellen reagieren mit einem synchronisierten negativen Schlag. Bild: M. Çağatay Karakan, Boston University

Die Heart-on-a-Chip-Plattform ist ein hervorragendes Beispiel für die 2PP-basierte Mikrofabrikation als Schlüsseltechnologie für zukunftsweisende Anwendungen im Bereich Life Sciences. Der Maßstab, indem biologisches Gewebe gedruckt werden kann und die Auflösung des 2PP-basierten 3D-Drucks im Submikrometerbereich sind ideal, um die natürliche Umgebung zu imitieren. In Verbindung mit der Entwicklung biokompatibler Materialien für den 2PP-basierten 3D-Druck sind viele weitere spannende Anwendungen in den Bereichen Tissue Engineering, Zellbiologie und regenerative Medizin zu erwarten.

Innerhalb der BICO-Gruppe bietet Nanoscribe Produkte und Lösungen zur 3D-Mikrofabrikation von Life-Science-Anwendungen und hat erst in diesem Jahr spezielle Druckmaterialien wie IP-PDMS und die in Kooperation mit dem Partner Xpect Inx entstandenen N100-Biomateralien auf den Markt gebracht. Weitere Produktneuheiten folgen in Kürze.

Sind Sie an weiterführenden Einblicken in dieses spannende Forschungsprojekt interessiert? Dann lesen Sie hier die komplette wissenschaftliche Publikation: Direct laser writing for cardiac tissue engineering: A microfluidic heart on a chip with integrated transducers

Diese Publikation sowie wissenschaftliche Fachzeitschriftenbeiträge zu über eintausend weiteren Forschungsprojekten von Nanoscribe Kunden und Systemnutzern finden Sie im Premium-Bereich auf unserer Webseite in einer Datenbank mit Stichwortsuche. Registrieren Sie sich kostenfrei, um sich selbst ein Bild vom Potenzial der 3D-Mikrofabrikationstechnologie von Nanoscribe für innovative Anwendungen und grundlegende Innovationen zu machen und auch die Passung zu Ihren Projekten zu prüfen.

 

Information zum Video

Mikroskopische Ansicht der Heart-on-a-Chip-Plattform mit insgesamt acht Zellbefestigungsstellen, die mit Herzgewebe beladen werden. Das Gewebe richtet sich an den gedruckten Mikrostrukturen aus und synchronisiert seine spontanen Kontraktionen mit den mechanischen Stimulationen. Video: M. Çağatay Karakan, Boston University

Login Registrieren
Kontakt
Schließen

Sie haben die Wahl

Cookies helfen uns, Sie als Besucher besser zu verstehen und Ihnen eine bessere Erfahrung zu bieten.

Sie haben die Wahl
Cookies helfen uns, Sie als Besucher besser zu verstehen und Ihnen eine bessere Erfahrung zu bieten.
Impressum Datenschutzerklärung
Alle akzeptieren Individuelle Einstellung