Geckos haben die erstaunliche Fähigkeit, an fast jeder Oberfläche wie z. B. an Felsen, Holz oder sogar an flachem Glas zu haften. Das Geheimnis dieses Phänomens liegt in ihren mikrostrukturierten Fußballen. Jede einzelne Zehe besteht aus Millionen einzelner Mikrostrukturen, den sogenannten Setae, die sich wiederum in noch kleinere, nanometergroße Einheiten verzweigen. Der Fußballen des Geckos kann sich so perfekt an jede beliebige Gegenfläche anpassen. Und das so effizient, dass die relativ schwachen Van-der-Waals-Wechselwirkungen dominant werden und es dem Gecko ermöglichen, an jeder Wand haften bleiben zu können.
Wissenschaftler des INM – Leibniz Institute für neue Materialien in Saarbrücken untersuchen diesen anatomischen Trick und erforschen, wie reversibel haftende Mikrostrukturen für Pick-and-Place-Aufgaben in industriellen Prozesslinien eingesetzt werden können. Weitere Anwendungen sind Kletterroboter für Wartungsdienste oder Systeme zur Beseitigung von Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn. Der Schlüssel zu all diesen Anwendungen liegt in bioinspirierten adhäsiven Mikrostrukturen und den hierfür notwendigen Mikrofabrikationstechnologien wie der auf der Zwei-Photonen-Polymerisation basierende 3D-Druck von Nanoscribe.
3D-gedruckte Master für adhäsive Mikrostrukturen
Mit den Photonic Professional-Systemen von Nanoscribe entwickeln die Forscher verschiedene 3D-Mikrostrukturen, beispielsweise einfache Säulenformen, T-förmige Designs („Pilzdesigns“) oder trichterförmige Mikrostrukturen. Nach sorgfältigen Design-Iterationen drucken die Wissenschaftler diese Strukturen als Master, mit dem dann die Prägeform hergestellt wird. Diese wiederum wird für das Replica Molding der adhäsiven 3D-Mikrostrukturen verwendet.
Die der maskenlosen Zwei-Photonen-Lithografie inhärente Designfreiheit ermöglicht eine unkomplizierte Modifikation und Optimierung der adhäsiven Mikrostrukturen. Ein herausragendes Beispiel hierfür sind trichterförmige Mikrostrukturen. Mit modifizierten Winkeln der Trichterwände lässt sich die reversible Adhäsion der Strukturen optimieren. So wird eine verbesserte Haftung unter trockenen Bedingungen erreicht, und sogar auch unter Wasser. Diese trichterförmigen Mikrostrukturen haben deshalb ein enormes Potenzial für Anwendungen außerhalb kontrollierter Laborbedingungen, weil dort die Kontaktflächen durch Feuchtigkeit oder Regen schnell zwischen nassen und trockenen Zuständen wechseln können.
Mastering und Replikation versus Direktdruck
Derzeit werden Arrays dieser vielversprechenden adhäsiven Mikrostrukturen mittels Replica Molding hergestellt. Dieses Mikrofabrikationsverfahren wird in der Publikation der Forscher näher beschrieben. Mit der Replikation kann eine breite Palette an Materialien eingesetzt werden. Die Forscher erstellen mit dem 3D-gedruckten Master eine Negativform aus PDMS, aus der dann die endgültige adhäsive Struktur aus Polyurethan geformt wird (siehe Schemazeichnung). Der Umweg über das Replica-Molding-Verfahren wird gewählt, weil elastische Polymere wie Polyurethan einen besseren Kontakt mit der Gegenfläche ermöglichen als die starreren 3D-gedruckten Mastermaterialien. Allerdings schränkt der Replica-Molding-Ansatz die Designfreiheit ein, da bestimmte Designs, z. B. große Hinterschneidungen nicht abgeformt werden können. Direkt druckbare Elastomere, wie sie derzeit von Nanoscribe entwickelt werden, könnten hier neue Möglichkeiten für direkt gedruckte elastische Mikrostrukturen eröffnen.
Von der wissenschaftlichen Forschung zur industriellen Anwendung
Mikrostrukturierte Haftstrukturen sind bei weitem kein rein akademisches Thema mehr, sondern finden bereits praktische Anwendungen, wie beispielsweise das Pick-and-Place-Handling von empfindlichen Objekten in industriellen Fertigungsstraßen. Ein weiterer Technologietransfer wird für diese vielversprechenden bioinspirierten Mikrostrukturen erwartet.