Die Betrachtung vernetzter Neuronen hilft Wissenschaftlern, die Funktionsweise des Gehirns genauer zu verstehen. Beispielsweise werden biologische neuronale Netzwerke untersucht, um herauszufinden, wie groß die verarbeiteten Datenmengen sind, wie sich die Vernetzung in Lernprozessen entwickelt oder wie sich kranke neuronale Zellen verhalten. In-vitro-neuronale Zellkulturen sind daher wertvolle Plattformen zur Untersuchung von Neuronen in Netzwerken geringer Dichte auf zellulärer Ebene. 2D-Netzwerke sind jedoch oft nicht in der Lage, die im Nervensystem bestehenden ausgeprägten 3D-Verbindungen und die dadurch extrem komplexe Signalverarbeitung nachzuahmen. Mit den Fortschritten in der 3D-Mikrofabrikation können die Forscher jetzt neuartige, nahezu beliebig gestaltete Gerüststrukturen für die Zellkultivierung realisieren. Diese lenken die mögliche Ausprägung neuronaler Verbindungen gezielt und erlauben somit eine Untersuchung der neuronalen Signalverarbeitung in realer 3D-Komplexität.
Konfigurierbare 3D-Mikroarchitekturen zur Gestaltung neuronaler Verbindungen
Mit Hilfe des 3D-Druckers von Nanoscribe haben Wissenschaftler im Center for Hybrid Nanostructures an der Universität Hamburg zusammen mit dem Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und dem Institut für Physik der Universität Greifswald ein komplexes 3D-System hergestellt. Es besteht aus miteinander verbundenen 3D-Mikrostruturen aus unterschiedlich hohen, oben geöffneten Türmen sowie aus diese verbindende Röhren. Die 3D-Strukturen sind mit dem Druckmaterial IP-Dip hergestellt worden.
Die Anordnung von Türmen und Verbindungsröhren kann dank der Designfreiheit der 3D-Mikrofabrikationstechnologie in jeder Raumrichtung frei bestimmt werden. So können die Röhren den Auswuchs der neuronalen Zellfortsätze (Neurite) lenken. Das vorgestellte Konzept ist ein vielversprechender Weg für die in-vitro-Untersuchung neuronaler Netzwerke mit gestaltbarer 3D-Komplexität.
3D-gedruckte Mikrostrukturen ermöglichen neuronale Netzwerke
Die Wissenschaftler benetzten die 3D-Mikrostrukturen mit primären zerebellären Körnerzellen der Maus. Die Neuronen-Adhäsion und die Lebensfähigkeit der Zellen wurden durch Oberflächenbeschichtungen aus Al2O3 und das Polymer Parylene-C gefördert. Der Neuritenauswuchs kann zum einen topologisch durch die mittels der 3D-Mikrostrukturgeometrie herstellten Pfade und chemisch über eine selektive Poly-D-Lysin-Abscheidung geführt werden. Damit ergibt eine dreidimensional konfigurierbare in-vitro-Zellkultur von neuronalen Netzwerken.
Die 3D-Mikrostrukturen fungieren gleichzeitig als Neurokäfige und als Leiter für die neuronalen Zellfortsätze. Im Ergebnis bilden sich geordnete neuronale Netzwerke, indem die Neurite der selektiven Zelladhäsion innerhalb der Röhren folgen und die Zellen mit ihren Nachbarn verbinden. Mit Patch-Clamp-Messungen konnte eine elektrophysiologische Aktivität der Zellen durch bestätigte Signalübertragung noch nach 10 Tagen in vitro nachgewiesen werden.